Autonome Landmaschinen arbeiten effizienter
Lesezeit ca.: 3 MinutenTraktoren, die vollautomatisch Saatgut ausbringen, oder Mähdrescher, die zentimetergenau Getreide ernten: das ist die Zukunft der Landwirtschaft. Und sie hat bereits begonnen. Fachleute sprechen von „Precision Farming“.
07. Juni 2018Autonomes Fahren ist der Zukunftstrend der Fahrzeugbranche. Und längst nicht nur die Autohersteller befassen sich intensiv mit dem Thema: Auch die Landmaschinen-Branche hat dieses Feld entdeckt und ist der Digitalisierung des Pkw inzwischen um Jahre voraus. In der Agrarwelt heißt der Trend „Precision Farming“, und die Entwicklung vollautomatischer Traktoren, Mähdrescher, Ballenpressen, Dünge- oder Erntegeräte ist längst in vollem Gange. Fachleute sagen voraus, dass im Jahr 2030 jeder zweite Traktor in Deutschland fahrerlos unterwegs sein wird.
Dass die Entwicklung des autonomen Fahrens gerade im Agrarbereich so rasant vonstattengeht, hat einen einfachen Grund: Auf Feld, Acker oder Wiese gilt keine Straßenverkehrsordnung. Damit ist der Einsatz vollautomatischer Maschinen sehr viel einfacher möglich als auf der Straße. Bereits vor einem Jahr stellte die amerikanische Firma Case IH eine Traktor-Studie vor, die gar keine Fahrerkabine mehr hat. Das allerdings ist die fernere Zukunft.
Vollautomatisiertes Ernten und Säen
Beim deutschen Landmaschinenhersteller Claas aus Harsewinkel heißt es, dass man auf absehbare Zeit noch nicht auf den Fahrer verzichten könne: Erstens müsse auch ein autonomer Traktor über öffentliche Straßen erst einmal zum Einsatzort gefahren oder von einem Acker zum nächsten überführt werden, zweitens sei es sinnvoll, dass die Hightech-Geräte von einem Fachmann im Führerhaus überwacht würden, der vom Lenken, Gas geben, Bremsen jedoch entlastet wird.
Und auch die eigentliche Arbeit auf dem Acker erledigt die Maschine immer öfter komplett alleine. Per DGPS-Signal – das sind hochpräzise Positionsbestimmungen – können Mähdrescher beispielsweise mit einer Genauigkeit von zwei Zentimetern übers Feld navigiert werden. Nicht nur das Lenken geschieht vollautomatisch, auch die optimale Geschwindigkeit wird vom Rechner kontrolliert und laufend angepasst. So werden die Fahrspuren optimal an die jeweilige Fläche angepasst und das Arbeitstempo wird so reguliert, dass ein bestmögliches Resultat erzielt wird.
Zudem sind moderne Traktoren und die angehängten Arbeitsgeräte digital miteinander vernetzt. Das hat beispielsweise zur Folge, dass Dünger gezielt dosiert werden kann, je nachdem, wo auf dem Acker sich das Gespann gerade befindet; oder dass der Traktor eine Ballenpresse mit exakt dem Tempo über ein abgeerntetes Feld bewegt, dass sie an ihrer Auslastungsgrenze arbeitet.
Diese Automation macht den Maschineneinsatz einerseits effizienter, andererseits auch umweltfreundlicher. Denn wenn Landmaschinen stets auf den exakt gleichen Fahrspuren über die Flächen rollen, wird die Bodenverdichtung auf ein Mindestmaß reduziert. Und die Auswertung von Sensordaten ermöglicht eine exakte Verteilung von Saatgut sowie eine an die Bodenbeschaffenheit angepasste Dosierung von Dünger oder Pflanzenschutzmitteln.
Kommunikation zwischen Pkw und Traktoren
Das komplexe Zusammenspiel von Sensoren, Kameras und Hochleistungsrechnern der vollautomatischen Systeme in Landmaschinen basiert technologisch oft auf Komponenten, die auch in autonom fahrenden Pkw zum Einsatz kommen – und umgekehrt. „Gerade im Bereich Short- und Long-Range-Radar erforschen wir intensiv die Nutzbarkeit der Pkw-Sensoren für Agri-Anwendungsfälle sowie nötige Anpassungen und nutzen hierfür unsere Expertise aus der Automobilindustrie“, sagt Michael Ruf, Leiter des Geschäftsbereichs Commercial Vehicles & Aftermarket bei Continental.
Auch an anderer Stelle kooperieren Pkw- und Traktoren-Entwickler. Landmaschinenhersteller Claas etwa präsentierte gemeinsam mit BMW ein „Large Vehicle Alert System“, das die Positionsdaten landwirtschaftlicher Maschinen und Traktoren in Echtzeit an die Navigationssysteme in Fahrzeugen anderer Verkehrsteilnehmer in der Nähe übermittelt. So sollen Auto- und Motorradfahrer rechtzeitig vor großen Landwirtschaftsfahrzeugen oder auch starken Verschmutzungen auf der Strecke gewarnt werden. Zudem kann das System Umleitungen oder Alternativstrecken vorschlagen.
Vom Acker auf die Straße – die Digitalisierung und Automatisierung forciert auch diesen Prozess. Und zwar in vielfältigen Varianten.