Daten sind die DNA der modernen Mobilität
Lesezeit ca.: 4 MinutenDaten sind der Treibstoff der modernen Mobilität und sie versprechen ein Milliarden-Geschäft. Denn mit jedem Kilometer, die ein „digitales“ Auto zurücklegt, steigt dessen Wert. Im Fokus steht neben neuen Mobilitätsdienstleistungen auch das unfallfreie Fahren.
08. Januar 2019Das „größte Potenzial der Digitalisierung ist die Vernetzung mit Datenkapital“, sagt Freddie Geier, ehemals General Manager bei Apple. Damit hat der Visionär die Zukunft der Digitalisierung auf den Punkt gebracht, zugleich aber manche Top-Manager der deutschen Automobilindustrie verunsichert. Denn seit langem kursieren Gerüchte, dass der US-Konzern mit eigenen Fahrzeugen ins Automobilgeschäft einsteigt. Weil die Mobilität von morgen und dabei im Besonderen das selbstfahrende Automobil von qualifizierten Daten lebt, konkurrieren IT-Unternehmen mit etablierten Automobilherstellern. Immerhin erfordert das autonome Fahren enorme Datenmengen.
So erzeugt ein Fahrzeug aus der Testflotte für vollautomatisiertes Fahren mit entsprechender Sensorik pro Acht-Stunden-Tag rund 40 Terabyte an Datenvolumen. Im späteren Serieneinsatz werden weitaus weniger Informationen benötigt. Doch auch die dann noch etwa alle 200 Kilometer anfallenden knapp sieben Terabyte zu beherrschen, ist eine Voraussetzung, damit das automatisierte Fahren sicher funktioniert. Vor allem aber sind diese Daten die DNA für Services rund um die Mobilität, mit denen sich enorme Summen verdienen lassen. Laut Dr. Juergen Reiner, Partner bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman, addiert sich „weltweit die Summe an Mobilitäts-Services bis 2030 auf jährlich circa 400 Milliarden Euro Umsatzvolumen“. Dies zeigt wie lukrativ das Geschäft mit Car Sharing, Parken, Miete, intermodalen Services, Fahrdiensten etc. ist. Die Digitalisierung der Mobilität ist dabei die einzige Möglichkeit, auf diesen Wertepool zuzugreifen. Mobilität ist die Zukunft, das Auto Mittel zum Zweck.
Lukrative Geschäftsmodelle mit fahrbezogenen Daten
So dienen die fahrbezogenen Daten nicht nur für das Optimieren bevorstehender Werkstattservices oder dem Abschluss individueller Versicherungsleistungen. Auch mit hoch personalisierten Diensten wie der automatisierten Routenplanung auf Basis persönlicher Termine und Vorgaben oder dem Übermitteln des 'Share Live Trip Status', bei der ausgewählte Personen via SMS die aktuelle Position in einer Kartenansicht erhalten, erschließt sich die Automobilbranche neue Geschäftsmodelle.
Im Erprobungsstadium sind aber auch hochautomatisierte Mobilitätssysteme. So sieht Smart-Chefin Annette Winkler „spätestens in der Mitte der nächsten Dekade“ den Smart Vision EQ autonom als Robotertaxi auf der Straße fahren. Die 2,69 Meter lange Elektro-Studie ist ihrer Ansicht nach die Zukunft von Sharing-Diensten wie Car2Go. Dass das autonom fahrende Automobil mit seiner optischen Sensorik auch tagesaktuell den Zustand der Straßen dokumentiert, hilft nicht nur dem Hersteller zur besseren Verkehrsplanung, auch das Straßenbauamt profitiert von diesen Informationen.
Mit dem vernetzten Auto unfallfrei ans Ziel
Mit jedem gefahrenen Kilometer steigt demnach der Wert des Gesamtsystems „vernetztes Automobil“. Das weiß auch BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich, der auf einer Bilanzpressekonferenz in München erklärte, dass das Auto immer mehr Daten generieren wird. Das Ziel sind Informationen, die aus den intern (Sensoren) wie auch extern erlangten Daten gewonnen werden und für das autonome Fahren ebenso bedeutend sind wie für hochgenaues Kartenmaterial und entsprechende Services. Dabei sollen digitale Dienste nicht nur den Zugang zu einem Multi-Milliardenmarkt garantieren. Auch das Unfallrisiko soll deutlich reduziert werden.
Spezielle Sensorsysteme, wie sie das israelische Unternehmen Mobileye entwickelt, überwachen dazu das nähere Umfeld des Fahrzeugs. Damit sind autonome Fahrfunktionen nach Level 3 möglich wie sie etwa Tesla anbietet. Zwar haben diese elektrisch angetriebenen Fahrzeuge noch genügend Motorleistung. Doch im digitalen Auto ist das Terabyte künftig wichtiger als die PS. Auch deshalb wird derzeit alles miteinander vernetzt: Das Smartphone mit dem Auto, der Reifen mit der Werkstatt, die App für sicheres Fahren mit einer Datenbank.
Daten aus dem Fahrzeug sind das „missing link“ zum Kunden
Mit welcher Vehemenz etablierte Automobilhersteller in das Geschäft mit den Daten einsteigen, zeigen die Summen, die seit mehreren Jahren in das vernetzte Automobil investiert werden. Jüngstes Beispiel ist das Entwicklungszentrum für selbstfahrende Autos, das BMW in Unterschleißheim bei München eröffnet hat. Inklusive eines der größten Rechenzentren in Deutschland, um die annähernd 16 Terabyte zu speichern, die dort ein Fahrzeug aus der Flotte für hochautomatisiertes Fahren an einem Acht-Stunden-Tag erzeugt.
Rund 1800 Entwickler und Software-Ingenieure werden dort in Zukunft damit beschäftigt sein, die Informationen aus den Steuergeräten auszulesen, in die Cloud hochzuladen, auszuwerten und aus den Informationen neue Funktionen für das selbstfahrende Auto zu programmieren. Aber auch Kommunikation und Vernetzung, die Konnektivität mit anderen Verkehrsteilnehmern, Familie, Freunden oder Geschäftspartnern sind zunehmend gefragt. Die Digitalisierung ist neben der Umwelt- und Klimaverträglichkeit der Fahrzeuge derzeit der bestimmende technologische Megatrend in der Autoindustrie. Und die fahrbezogenen Informationen aus dem Fahrzeug sind das „missing link zum Kunden“, wie es ein Brancheninsider auf den Punkt bringt.
Daten sind der Treibstoff der modernen Mobilität
Dass von der geschickten Datennutzung in besonderem Maße auch die Autoindustrie profitiert, davon sind die Analysten der Deutschen Bank überzeugt. In ihrem „Deutschland Monitor: Das digitale Auto“, erwarten sie, dass die für das „digitale Auto“ notwendigen Technologien das Umsatzwachstum in der Autoindustrie begünstigen werden. Allerdings werden noch „mehrere Jahrzehnte vergehen, bis das ‚digitale Auto‘ den Pkw-Bestand durchdrungen hat; vor 2040 wird dies wohl nicht der Fall sein“. Trotz dieser Zeitspanne hält die Deutsche Bank das autonome Fahren für keine Utopie mehr.