Bio-Kraftstoffe: Mehr als nur Zukunftsmusik.
Lesezeit ca.: 3 MinutenIn den Forschungslaboren brodelt es: Alternative Kraftstoffe als Ersatz für Benzin und Diesel sind bereit für die Zapfsäule. Hergestellt aus Biomasse oder Kohlendioxid und Wasser könnten sie die Klimabilanz von Kraftfahrzeugen deutlich verbessern – und eine Zukunft für Otto-und Dieselmotoren jenseits fossiler Brennstoffe ermöglichen.
09. Oktober 2018Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entsteht Benzin aus Stroh. Bereits seit 2014 läuft die Pilotanlage, in der Biomasse in umweltfreundliches, synthetisches Benzin verwandelt wird. „Mit dem bioliq-Verfahren zeigen wir, dass wir Kraftstoffe langfristig aus erneuerbaren Energien erzeugen können“, sagt Jörg Sauer, Leiter des Instituts für Katalyseforschung und -technologie am KIT und ergänzt: „Studien belegen: Bei Treibstoffen aus Biomasse liegt das CO2-Minderungspotenzial zwischen 85 und 90 Prozent im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen.“ Möglich ist das, weil ein Drittel der in der Biomasse enthaltenen Energie im Tank landet. Der Rest wird in Form von Strom und Wärme genutzt, um den Energiebedarf des gesamten Herstellungsprozesses zu decken.
Dezentrale Verarbeitung in Bio-Raffinerien
Im Gegensatz zum Biosprit der ersten Generation, wie etwa Biodiesel aus Raps oder Bioethanol aus Mais, konkurrieren Biokraftstoffe der zweiten Generation nicht mit Nahrungs- oder Futtermitteln. Sie werden ausschließlich aus Reststoffen der Land- und Forstwirtschaft, wie Stroh, Holz oder Pflanzenresten, gewonnen.
Um CO2 und lange Transportwege einzusparen setzen die Forscher auf die dezentrale Verarbeitung der Biomasse. Für die kommerzielle Realisierung schwebt den Forschern die Integration des bioliq-Prozesses in Bio-Raffinerien vor. „Dahinter verbirgt sich die Idee, dass die Herstellung von Kraftstoffen direkt dort stattfindet, wo große Mengen an Biomasse abfallen – beispielsweise in einer Zuckerfabrik oder einer Papiermühle. Hier in Karlsruhe wäre das ziemlich praktisch. Wir haben einen Hafen, eine Raffinerie und zwei große Zellstofffabriken. Das könnte man wunderbar verbinden.“
Kompatibel mit vorhandenen Motoren
Bei dem mehrstufigen bioliq-Verfahren wird zunächst die Biomasse erhitzt. Das dabei entstandene Pyrolyseöl und Pyrolysekoks wird anschließend per Energieverdichtung zu Biosyncrude vermischt und dann mittels Flugstromvergasung zu einem teerfreien, methanarmen Rohsynthesegas umgewandelt. Das gereinigte Synthesegas kann dann, je nach Bedarf, in verschiedene Kraftstoffe wie Methan, Benzin und Dieselkomponenten umgewandelt werden.
Denkbar wäre sowohl die Beimischung zu herkömmlichem Sprit oder der komplette Ersatz, denn die BTL-Kraftstoffe (Biomass-to-Liquid) sind mit konventionellen Treibstoffen und der vorhandenen Motorentechnik kompatibel. 20 Millionen Tonnen Sprit aus Biomasse könnten jährlich hergestellt werden. Zum Vergleich: Rund 55 Millionen Tonnen an Otto- und Dieselkraftstoffen fließen pro Jahr aus deutschen Zapfsäulen.
Erdölersatz aus Wasser und Kohlendioxid
Die Firma Sunfire setzt anstelle von Stroh oder Holz auf Wasser und Kohlendioxid. Auf Basis von Ökostrom wird in der Dresdner Power-to-Liquids-Anlage der synthetische Erdölersatz e-Crude hergestellt. Mit hohem Druck wird Wasserdampf in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Der Wasserstoff wird anschließend mit Kohlendioxid in ein Kohlenmonoxid-Gasgemisch umgewandelt, aus dem schließlich synthetischer Kraftstoff entsteht.
Die erste kommerzielle e-Crude-Produktion soll 2020 im norwegischen Industriepark Heroya anlaufen. Hier sollen 8.000 Tonnen e-Crude pro Jahr ausschließlich mit Ökostrom aus Wasserkraft produziert werden – damit könnten beispielsweise 13.000 PKW versorgt und 21.000 Tonnen fossiler CO2-Emissionen vermieden werden.
Zapfsäule in weiter Ferne
So weit so gut. Ab wann können wir den Supersprit in Deutschland denn nun tanken? „Ohne tiefergehende Umwälzungen in der Politik und Gesetzgebung wird es nicht funktionieren, regenerative Kraftstoffe in die Zapfsäulen zu bekommen. Es fehlen schlicht und einfach noch die Anreize, erneuerbare Energien in den Verkehr einzuführen“, so KIT-Ingenieur Jörg Sauer. Hinzu kommt die finanzielle Hürde: Bioliq-Kraftstoff würde nach heutigen Ölpreisen zwischen 60 Cent und einem Euro teurer sein als konventioneller Sprit. Volkswirte empfehlen in diesem Zusammenhang bestehende Steuern und Gebühren anzupassen. „Dies sollte technologieoffen gestaltet werden und sowohl Elektromobilität als auch Verbrennungsmotoren einschließen – nur dann könnten die CO2-Emissionen im Verkehrssektor wieder in eine fallende Richtung gebracht werden“, betont der Kraftstoff-Forscher in Hinblick auf die Energiewende.