Komplexe Simulationen für bessere Motoren
Lesezeit ca.: 4 MinutenWelche Effizienzreserven haben Verbrennungsmotoren noch? Wie lässt sich die Leistung steigern, ohne die Umweltbilanz zu belasten? Welchen Einfluss haben Interaktion zwischen Verbrennung und Zylinderwand auf Spritverbrauch und Abgasentwicklung? Forscher der TU Darmstadt entwickeln Werkzeuge, mit denen Motorenentwickler das schlummernde Potential der Verbrenner heben können.
12. April 2018Der Verbrennungsmotor ist ein täglich genutzter Gegenstand und immer noch die tragende Säule der Automobiltechnik. Für Konstrukteure und Ingenieure birgt er kaum noch Geheimnisse. So zumindest scheint es. Doch im Inneren dieses Motors spielen sich komplexe Vorgänge ab, die immer noch nicht in allen Details erforscht sind. Forscher der TU Darmstadt wollen das ändern. In ihren Projekten erarbeiten sie mathematische Modelle, um die Prozesse in Verbrennungsmotoren zu simulieren. Nutzer dieser Modelle können damit unter anderem herausfinden, wie man den Wirkungsgrad der Motoren steigern und die Abgasentwicklung reduzieren kann.
Unerforschte Prozesse im Zylinder
Im Fachgebiet Reaktive Strömungen und Messtechnik analysiert Professor Dr. Andres Dreizler turbulente Verbrennungsvorgänge und speziell deren Interaktion mit den Wänden des Brennraums. „Wir liefern eine Methodik, die es ermöglicht, die Wand-Wärme-Verluste zu quantifizieren,“ sagt der Wissenschaftler. Was Dreizlers Team bisher herausgefunden hat: An den Wänden des Brennraums treten starke Kohlenmonoxid-Konzentrationen auf – ein Indikator für eine unvollständige Verbrennung. Weil es dort kühler ist als im Inneren des Zylinders, laufen gekoppelte Reaktions-Transport-Prozesse an den Wänden anders ab als im Inneren des Brennraums und beeinträchtigen Wirkungsgrad und Abgasentwicklung.
Mit den Berechnungsmethoden aus Darmstadt können die Motorenentwickler die damit einhergehenden Effizienzeinflüsse ermitteln und auch die erforderliche Bauteilefestigkeit bestimmen: Wie heiß wird mein Zylinderkopf? Welche konstruktiven Maßnahmen sind nötig, um ein „Durchbrennen“ zu verhindern? Zudem, so Dreizler, sollen die Simulationen den Anwendern helfen, die primäre Schadstoffbildung im Brennraum zu quantifizieren – alles Aufgaben, die heute aktuell sind wie nie.
Downsizing macht die Sache kompliziert
Die Motorenentwickler müssen diese Prozesse in den Griff bekommen, denn die Vorschriften bezüglich der Schadstoffemissionen werden immer strenger; gleichzeitig erwarten die Kunden Verbesserungen bei der Kraftstoffeffizienz. Und der Markt verlangt, Abgaskrise hin oder her, dass das Fahrzeug beim Tritt aufs Gaspedal auch zeigt, was es drauf hat. Die Trends in der Motorenentwicklung – Downsizing, Aufladung, Steigerung der spezifischen Hubraumleistung – machen es dem Ingenieur dabei nicht leichter. Denn, auch das zeigen die Versuche, die mit dem Downsizing einhergehende Verkleinerung der Brennräume verschärft die Problematik der Interaktion zwischen Verbrennung und Wand. Es entsteht dabei mehr Kohlenmonoxid als erwartet und in der Folge reduziert sich der Wirkungsgrad.
Die Methodik der Darmstädter ist nicht eben simpel. „Wir haben Gleichungen, die die Strömung beschreiben. Wir haben auch, zumindest für einfachere Brennstoffe, eine genaue Kenntnis davon, wie die chemischen Reaktionen ablaufen. Dazu kommt die komplexe Geometrie des Brennraums. Wenn Sie das alles rein numerisch rechnen wollten, würden Sie die größten Großrechner der Welt über Jahre hinaus auslasten – und hätten am Ende doch nur wenige Zyklen errechnet“, beschreibt Dreizler die Größenordnung des Problems.
Die Lösung liegt in der Vereinfachung: Es geht darum, Modelle zu entwickeln, die mit einer gröberen räumlichen und zeitlichen Auflösung das Wesentliche des Geschehens über Differentialgleichungen abbilden. Diese mathematischen Modelle müssen nichts Geringeres leisten als alle die genannten Faktoren richtig zu erfassen und korrekt miteinander zu verknüpfen. Schadstoffbildung, Turbulenzen, Kraftstoffeinspritzung oder auch der Einfluss der Zylinderwandungen – ein Faktor, der auf wissenschaftlicher Ebene bisher kaum untersucht wurde.
„Virtual Machine“ zur Abbildung des Motors im Computer
Inspiriert ist Dreizler dabei von der Art, wie man in der Luftfahrt bei der Modellierung von Gasturbinen vorgeht. Nämlich über die Schaffung einer „Virtual Engine“, eines virtuellen Abbilds des Triebwerks als Modell im Computer. Ausschließlich computergestützt geht Dreizler jedoch nicht vor. Die mathematische Modellbildung wird durch intensives Experimentieren unterstützt; zudem werden die Modelle anschließend experimentell validiert.
Die Simulationen und Modelle, die in Darmstadt entwickelt werden, sollen aber nicht einfach die Welt erklären. Anliegen der Darmstädter ist es vielmehr, Simulationsmethoden zu erarbeiten, die von Anwendern in der Automobilindustrie praktisch eingesetzt werden können. Mit diesen Simulationen als „Werkzeugkasten“ können die Motorenentwickler dann herausfinden, wie sie beispielsweise die Schadstoffemission über Veränderungen der Brennraumgeometrie oder durch andere Wandtemperaturen in den Griff bekommen.