Gesundheitscheck für Akkus
Lesezeit ca.: 3 MinutenWissenschaftler der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) entwickeln ein intelligentes System, das den Einsatz von Lithium-Ionen-Akkumulatoren optimieren und deren Lebensdauer verlängern soll.
12. Juli 2018Der Blick auf die Anzeige verheißt nichts Gutes: die elektrische Energie reicht nur noch für 13 Kilometer Fahrspaß. Merkwürdig, denn an der letzten Ampel waren es doch noch 25 Kilometer. Reichweitenpanik macht sich plötzlich im Elektroflitzer breit. Um solche oder ähnliche Szenarien in Zukunft zu vermeiden, will ein Forscherteam vom Friedberger Campus der Technischen Hochschule Mittelhessen mit einem neuen „intelligenten skalierbaren Batteriemanagement-System“ nicht nur für mehr Verlässlichkeit bei der Reichweitenanzeige sorgen, sondern zugleich auch die Lebensdauer der Energiespeicher erhöhen. Die Wissenschaftler konzentrieren sie sich bei ihrer Arbeit auf leistungsstarke Lithium-Ionen-Batterien, die heute in Elektrofahrzeugen Standard sind. Im Interview erklärt der Projektleiter Professor Alexander Kuznietsov Methodik und Unterschiede dieser Neuentwicklung.
Herr Kuznietsov, wie unterscheidet sich Ihr System von denen, die aktuell eingesetzt werden?
Die gegenwärtig auf dem Markt befindlichen Systeme analysieren nur den Ladezustand der Batterie. Das von uns vorgeschlagene System soll aber im laufenden Betrieb eine komplette Diagnostik ermöglichen.
Welche Parameter müssen dafür erfasst werden?
Dazu gehören Lade- und Entladeprofile, die inneren elektrischen Parameter einzelner Zellen und die Temperaturverteilung innerhalb eines Moduls. Die gewonnenen Informationen können dann für die Anpassung des Batteriebetriebs verwendet werden und auch die Lebensdauer der Batterie verlängern. Mit diesen Daten wollen wir quasi den aktuellen Gesundheitszustand des Speichers spezifizieren.
Ist dieser denn immer zu erkennen?
Die verschiedenen chemischen Prozesse in den Zellen sind nicht ohne weiteres vorhersagbar. Entladungsprozesse spielen eine Rolle, aber auch Stromprofile, gleichmäßige Stromentnahme oder Spitzenentladungen. Wir untersuchen allerdings nicht die Ursachen dieser Prozesse, sondern entwickeln Überwachungsalgorithmen, die uns diese bisher unbekannten Informationen auf der elektrischen Ebene mess- und rechentechnisch darstellen. Ändert sich die Chemie einer Zelle hat es eventuell Auswirkungen auf ihren Innenwiderstand, den können wir messen. Dann können wir auch eine Aussage über den gesamten Akkuzustand treffen.
Muss jede Zelle untersucht werden?
Das ist eine Kompromissfrage. Die einzelnen Zellen werden unterschiedlich beansprucht, und je umfangreicher die Messmethode wird, desto besser können wir die Ergebnisse separieren und Defekte detektieren. Im Versuchsstadium machen wir das, aber ob das später im Fahrzeug auch nötig sein wird, stellt sich noch heraus. Wir stehen ja erst ganz am Anfang unser Forschungsarbeiten.
Dann erübrigt sich die Frage zur Serienreife?
Derzeit noch, ja. Dafür entwickeln wir mit unseren Partnern der Automobilbranche mathematische Verfahren einschließlich der Hard- und Software, die einen permanenten Check im laufenden Betrieb eines Fahrzeuges ermöglichen sollen. Die echtzeitfähige Implementierung der programmierten Algorithmen in einem fahrzeugtypischen Steuergerät ist dabei die größte Herausforderung. Das Endprodukt soll dann ein Diagnose- und Steuerungsgerät für den LI-Akku sein – universell einsetzbar.
Im Armaturenbrett wird dann die aktuelle Fieberkurve des Akkus angezeigt?
Genau, eben nicht nur wie viel Amperestunden – sprich Reichweite – eventuell übrig geblieben sind, sondern auch eine verbindliche Aussage darüber, ob der Akku als alt oder neu zu klassifizieren ist. An der Ladestation vermittelt der Speicher dem Ladegerät seinen „Alterszustand“ und erhält im besten Fall einen individuellen Ladestrom, je nach Gesundheitszustand. Die Ladezeiten werden sich sukzessive erhöhen, aber ein alter Akku wird es mit einer längeren Lebenszeit danken.
Schnellladestationen eignen sich also nicht für alle Gesundheitstypen?
Ja. Schnellladestationen sind nur gut für neue oder intakte Batterien. Gesunde Batterien verkraften diesen hohen Ladestrom. Kranke bzw. schwächere Batterie können durch die extreme Beanspruchung noch weiter geschädigt werden. Deshalb muss später auch das Ladegerät in der Lage sein, unsere Ladestrategie umzusetzen, damit die Akkus länger leben.