CO2-Grenzwerte: Ab jetzt gilt es
Lesezeit ca.: 3 MinutenSeit dem 1. Januar 2020 läuft der CO2-Zähler. Für alle in der EU verkauften Pkw gilt ein durchschnittlicher Grenzwert von 95 Gramm CO2 je Kilometer. Hersteller, deren Flotten mehr CO2 als erlaubt ausstoßen, müssen Strafe zahlen. Um das zu vermeiden, sollen vor allem E-Autos auf die Straßen.
15. Januar 2020Die Automobilindustrie befindet sich in einem gewaltigen Veränderungsprozess. Digitalisierung, autonomes Fahren, Elektrifizierung – vor allem diese drei zentralen Entwicklungen prägen den Wandel. Dieser nimmt jetzt noch mehr Fahrt auf: Seit dem 1. Januar 2020 läuft in der Europäischen Union der CO2-Zähler für neu zugelassene Pkw. Das bedeutet konkret, dass für alle Neuwagen ab sofort ein durchschnittlicher CO2-Grenzwert von 95 Gramm CO2 je Kilometer gilt. Das entspricht einem Durchschnittsverbrauch von 4,1 Liter Benzin oder 3,6 Liter Diesel je 100 Kilometer Fahrstrecke.
Jedes neu zugelassene Auto, das mehr Kraftstoff verbraucht und damit auch mehr CO2 ausstößt, muss also ab sofort durch ein entsprechend sparsameres, CO2-ärmeres Modell ausgeglichen werden, damit der 95-Gramm-Grenzwert nicht überschritten wird. Falls das nicht gelingt, werden Strafzahlungen fällig. Und zwar für jedes einzelne neu zugelassene Auto und jedes Gramm über dem Grenzwert 95 Euro. Dabei kommen rasch immense Summen zusammen. Würde beispielsweise Volkswagen das Ziel um zehn Gramm verfehlen, kämen bei den bisherigen Verkaufszahlen in der EU Strafzahlungen von rund vier Milliarden Euro auf das Unternehmen zu.
Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybridmodelle sind der entscheidende Schlüssel
Angesichts dieser Dimensionen werden natürlich VW und alle anderen Automobilhersteller alles daransetzen, CO2-Strafsteuern zu vermeiden – oder zumindest weitestgehend zu reduzieren. Schon die EU-Regelungen helfen dabei ein wenig. Denn erstens ist der 95-Gramm-Grenzwert ein Durchschnittswert; tatsächlich gilt für jeden Hersteller ein eigens berechneter Wert, der abhängig ist vom Durchschnittsgewicht der neu zugelassenen Fahrzeuge. Kurz gesagt funktioniert es so: Hersteller, die schwerere Autos verkaufen, müssen einen weniger strengen Flottengrenzwert erreichen (z. B. 105 Gramm CO2/km) als Hersteller, die leichtere Fahrzeuge absetzen. Zweitens müssen alle Hersteller im Jahr 2020 lediglich 95 Prozent ihrer in der EU verkauften Autos in die Berechnung einfließen lassen. Die fünf Prozent mit dem höchsten CO2-Ausstoß also fallen in diesem Jahr noch gar nicht ins Gewicht, sondern erst ab 2021.
Für die Autohersteller liegt jedoch der entscheidende Schlüssel, um CO2-Strafzahlungen zu vermeiden, in Elektrofahrzeugen oder Plug-in-Hybridmodellen. Der Grund sind sogenannte Super-Credits, die für alle neu zugelassenen Pkw mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 50 g/km gelten. Wenn ein Fahrzeug diese Voraussetzung erfüllt, und E-Autos werden generell mit einem CO2-Ausstoß von null gewertet, dann darf es 2020 doppelt angerechnet werden. Die dazugehörige Milchmädchenrechnung: Ein E-Auto gleicht ein wuchtiges Modell mit einem CO2-Ausstoß von 190 g/km vollständig aus. Dieser Bonus jedoch wird in den nächsten Jahren Stück für Stück zurückgefahren, sodass im Jahr 2021 die besonders CO2-armen Fahrzeuge nur noch mit dem Faktor 1,67 und im Jahr 2022 noch mit dem Faktor 1,33 angerechnet werden dürfen. Danach gehen sie, wie alle anderen auch, als ein Fahrzeug in die Berechnung ein.
Produktion von E-Fahrzeugen wird hochgefahren
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass derzeit alle Hersteller mit Hochdruck daran arbeiten, die Produktion von E-Fahrzeugen hochzufahren, um diese so rasch wie möglich und in so großen Stückzahlen wie möglich auf den Markt zu bringen. Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen erklärte erst kürzlich gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: "Das batterieelektrische Auto wird in den nächsten zehn Jahren in Europa seinen Durchbruch haben. Die E-Mobilität kommt mit Macht."
Und sie kommt, das wird angesichts der drohenden CO2-Strafzahlungen deutlich, auf den letzten Drücker. Die mitunter hastig und hektisch wirkenden E-Auto-Aktivitäten haben ihre Ursache allerdings nicht in der EU-Gesetzgebung, sondern vielmehr in der trägen Reaktion der Hersteller selbst. Denn dass der 95-Gramm-Grenzwert im Jahr 2020 in Kraft treten wird, ist seit 2009 bekannt. Nun läuft der CO2-Zähler.