Automobilbranche führend beim industriellen IoT
Lesezeit ca.: 3 MinutenOb in der Produktion oder im Fahrzeug: Glaubt man Experten, werden die Autobauer den Markt für das industrielle Internet of Things (IIoT) beherrschen.
26. April 2018Das Rennen ist zwar noch frisch und Boxenstopps gab es bis dato keine, doch im Kampf um die digitale Meisterschaft im industriellen Internet der Dinge (IIoT) sieht es für deutsche Autobauer sehr gut aus. Tesla zum Trotz machten die beiden Marktsegmente Maschinen- und Anlagenbau sowie Automobilindustrie bereits 2017 zusammen mehr als 50 Prozent des gesamten IIoT-Marktes hierzulande aus. Das haben die Marktexperten des Eco-Verbands sowie der Unternehmensberatung Arthur D. Little in einer aktuellen Studie ermittelt.
Vor allem die voranschreitende Automatisierung durch digitalisierte Produktions- und Lieferprozesse könnte dabei maßgeblicher Treiber sein. In Zahlen ausgedrückt: Die Umsätze im deutschen IIoT-Markt steigen von sieben Milliarden Euro (2017) auf 16,8 Milliarden (2022) und werden sich somit mehr als verdoppeln. Die Pole-Position, so sieht es die Prognose zumindest vor, hält darin eindeutig die Automobilindustrie mit 20,2 Prozent. Die Investitionen fließen der Studie zufolge vor allem in das „Tuning“ bereits bestehender Anlagen. Mittels Automatisierung erhöhen die Autobauer damit die Präzision ihrer Produktionsanlagen oder steigern deren Produktionsgeschwindigkeit.
Alle verbauten Teile in Sekunden identifizieren
Wie das in der Praxis konkret aussieht, zeigt Volkswagen mit dem „Gläsernen Prototypen”, dem laut Fachleuten größten unternehmensübergreifenden Radio-Frequency-Identification-Projekt (RFID) der Automobilindustrie. Die Niedersachsen arbeiten dabei mit knapp 300 Lieferanten zusammen, die ihre Prototypen-Bauteile mit Funk-Chips bestücken. Durch RFID-Technologie stellen die Beteiligten die fortlaufende Identifikation („Tracking &Tracing“) von Versuchsfahrzeugen und Prototypenteilen sicher. Clever ist dabei, dass sich RFID-gekennzeichnete Prototypenteile auf Seite der Automobilhersteller auch nach Verbau im Fahrzeug automatisch und innerhalb weniger Sekunden identifizieren lassen. Die aufwändige Bauzustandsdokumentation während der Fahrzeug- und Bauteilerprobung wird dadurch überflüssig.
Auch die in den Fabriken der Zukunft entstehenden Produkte offenbaren die innovative Branchenpower. Bosch beispielsweise plant eine Radikalkur im Innenraum: „Wir räumen im Cockpit auf. Je komplexer die Technik in modernen Fahrzeugen, umso einfacher und intuitiver muss die Bedienung sein“, sagt Dr. Steffen Berns, Vorsitzender des Bereichsvorstands von Bosch Car Multimedia. Denn in der Ära von Sprachassistenten wie Alexa sind traditionelle Bedienelemente im Auto nicht mehr zeitgemäß. Laut Allianz Zentrum für Technik bedienen 63 Prozent der Autofahrer in Deutschland das Navi während der Fahrt, 61 Prozent suchen einen anderen Radiosender und 43 Prozent klicken sich im Bordcomputer durch komplizierte Menüs. Diese Ablenkung sei eine der häufigsten Unfallursachen.
Diese Gefahren will Bosch minimieren. Die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik im Cockpit (Human-Machine-Interface, HMI) soll durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz zur mitdenkenden Kommandozentrale werden. Zentraler Baustein des HMI ist ein neuer Sprachassistent, der auf natürliche Sprache reagiert und selbst Dialekte versteht. Dank Natural Language Understanding (NLU) führt der Fahrer mit einer virtuellen Assistentin ein Gespräch wie mit dem Beifahrer. Mithilfe Künstlicher Intelligenz lernt sie dann, wohin die Fahrt an unterschiedlichen Tageszeiten geht. Verlangt der Fahrer nach dem Radio, weiß sie, dass er morgens Nachrichten und abends Musik hören will.
Mehr Sicherheit dank Sprachbedienung
Auch soll das derart aufgeräumte Cockpit dem Fahrer wichtige Informationen zum richtigen Zeitpunkt bieten, etwa durch digitale Anzeigen. Intelligente und mitlernende Algorithmen filtern Inhalte und priorisieren sie. Wird es auf der Straße glatt, erhält der Fahrer eine Warnmeldung direkt in sein Blickfeld. Weniger wichtige Informationen wie der Radiosender werden auf ein anderes Display verschoben. Das soll dem Fahrer helfen, sich aufs Verkehrsgeschehen zu konzentrieren.
Bedient der Autofahrer etwa Klimaanlage oder Radio auf klassischem Wege, muss er hinsehen, um die richtigen Befehle einzugeben. Aber: Wer bei Tempo 50 im Stadtverkehr nur zwei Sekunden den Blick von der Straße abwendet, legt dabei 30 Meter zurück; bei 120 km/h auf der Autobahn sind es mehr als 60 Meter im Blindflug. „Displays mit haptischem Feedback werden sich in Autos durchsetzen. Mit ihnen lassen sich beispielsweise Radio oder Telefon schneller, einfacher und vor allem sicherer bedienen“, sagt Berns.
Weniger Unfälle, einfacheres, sichereres und komfortableres Fahren – ein klares Argument für den Einsatz derartiger Technologien im Auto. Und darüber hinaus ein Indiz dafür, warum die Branchenexperten den Autobauern durchaus zutrauen, das Rennen um den Spitzenplatz im IIoT für sich zu entscheiden.