Schadstoffreduktion dank Mikrowelle im Kat
Lesezeit ca.: 4 MinutenKatalysatoren neutralisieren schädliche Abgase erst einige Minuten nach der Kaltstartphase. Schweizer Abgasspezialisten entwickelten einen Kat, der mithilfe von Mikrowellen innerhalb von zehn Sekunden auf 300 Grad aufgeheizt werden kann und so für weniger Feinstaub und andere Schadstoffe sorgt.
26. Juli 2018Wie bei Benzinern und Hybridfahrzeugen mit Elektro-Benzin-Antrieb zukünftig Kaltstartemissionen um bis zu 50 Prozent reduziert werden könnten, daran arbeiten Abgasspezialisten des schweizerischen Forschungsinstituts Empa mit Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (BAFU). Denn nicht nur Dieselfahrzeuge, auch Benziner stehen im Fokus der Kritik, wie der ADAC Eco-Test 2017 zeigte. Problematisch ist laut Empa insbesondere die Kaltstartphase, in der rund 90 Prozent der Schadstoffe entstehen. Denn ein kalter Kat ist weniger effizient bei der Abgasreinigung, als ein durch die Fahrt aufgewärmter Katalysator. „Das heißt, etwas plakativ vielleicht, dass in den ersten 500 Metern mit einem Benziner ungefähr so viele Schadstoffe entstehen, wie in den nächsten 5000 Kilometern, würde man diese Strecke nonstop fahren“, erklärt Potis Dimopoulos Eggenschwiler, Spezialist für Abgasnachbehandlung im Motorenlabor der Forschungsanstalt. Seit knapp zwei Jahren beschäftigt er sich mit der Kaltstartproblematik, die insbesondere in Städten, durch Stop-and-go-Verkehr und bei kalten Temperaturen die Luft stark belastet.
Kaltstart mit Mikrowellen überbrücken
„Das Abgas ist schon durch den Kat durch, bevor etwas reagieren kann“, schildert Dimopoulos Eggenschwiler die Problematik bei tiefen Temperaturen, da schlicht und einfach die Zeit zur Schadstoffneutralisation fehle. Sein Ansatz: Den Katalysator in Sekundenschnelle per Mikrowelle erwärmen. Die Herausforderung: Eine Substanz zu finden, die Mikrowellen absorbiert und diese im Katalysator zu integrieren. Das Forscher-Team setzte auf Siliziumcarbit, eine chemische Verbindung, die häufig in Partikelfiltern eingesetzt wird und die sich sehr gut als Mikrowellenabsorber eignet. Zusätzlich zu der Spezialbeschichtung optimierten die Abgasspezialisten die Oberflächenbeschaffenheit, um den Katalysator an sich zu verbessern.
Neue Kat-Oberfläche aus dem 3D-Drucker
Herkömmliche Katalysatoren benötigen aufgrund ihrer Struktur mit geraden Wabenkanälen einige Minuten bis die Betriebstemperatur von etwa 280 Grad erreicht wird. Gesucht war demzufolge eine Struktur, die sich schneller aufheizt, chemische Reaktionen beschleunigt und die Durchströmung so wenig wie möglich behindert. Die Lösung fanden die Forscher in offenporigen Strukturen keramischer Schäume. In Zusammenarbeit mit der Fachhochschule der italienischen Schweiz (SUPSI) werden diese als 3D-Druck hergestellt. Wobei die Erwärmung per Mikrowelle nicht an die neuartige Oberfläche gebunden ist. Prinzipiell könne man die Mikrowellenheizung auch mit einem Standard-Kat benutzen, sofern dieser zumindest teilweise mit Siliziumcarbit beschichtet ist. Ebenso sei der 3D-Druck unabhängig von der Mikrowelle einsetzbar, da er auf die Verbesserung des Kats selbst abziele – auch während der normalen Betriebstemperatur und nicht nur während des Kaltstarts.
Nicht nur für Neuwagen denkbar
„Unsere Vision ist es, dass die Mikrowellenheizung startet, sobald die Autotür geöffnet wird. Bis man sich dann hingesetzt und den Motor gestartet hat, sollte der Kat eine Temperatur erreicht haben, die sofort zu Schadstoffkonversion von über 50 Prozent führt“, sagt Potis Dimopoulos Eggenschwiler. Nach Praxistests im Labor sei das System in der Lage, die Kaltstart-Emission um die Hälfte zu reduzieren, berichtet der Projektleiter. Eine Integration im Fahrzeug hat bis dato noch nicht stattgefunden, ist aber geplant.
Dabei wäre das System nicht nur für Neuwagen eine Option, auch eine Nachrüstung ist denkbar. Allerdings müsse man dabei Platz für den sogenannten Wave Guide einplanen. Das ist der Bereich, in dem sich die Mikrowelle ausbildet. „Die Einleitung der Mikrowelle ins Katgehäuse nimmt etwa einen Bereich von acht mal acht mal vier Zentimetern ein. Diese Dimension muss beachtet werden, damit sich eine Welle ausbilden kann.“ Um Fahrzeuge mit der Mikrowelle nachzurüsten, müsse zudem die entsprechende Kommunikation mit dem Motorsteuergerät gewährleistet sein.
Potenzial für Serienproduktion
„Hält der 3D-gedruckte Katalysator das, was er verspricht und was er in Tests gezeigt hat, braucht es noch etwa zwei Jahre, bis er serienmäßig produziert werden kann. Die Mikrowelle könnte etwas schneller dran sein, weil die dafür benötigten Teile teilweise schon im Einsatz sind“, prognostiziert der Empa-Forscher. Kaltstartemissionen könnten damit demnächst der Vergangenheit angehören. Und auch in Hinblick auf die neuen europäischen Messverfahren zur Bestimmung der Abgaswerte, WLTP und RDE, hätten die Kat-Innovationen aus der Schweiz Marktpotenzial.