Neue Varianten für Mobilität
Lesezeit ca.: 3 MinutenGeteilte Autos, geteilte Fahrten – wer mobil sein möchte, dem bieten sich immer neue Varianten, um von A nach B zu kommen. Viele Autohersteller haben das erkannt und wandeln sich mit Car- und Ridesharing-Angeboten immer mehr zu Mobilitätsdienstleistern.
30. Juli 2019Megatrends wie Elektrifizierung, Digitalisierung oder autonomes Fahren verändern nicht nur das Automobil, sie verändern auch die Automobilhersteller – und vor allem das Mobilitätsverhalten der Kunden. Der Wandel hat längst begonnen: Im vergangenen Jahr waren beispielsweise insgesamt 2,46 Millionen Führerscheininhaber in Deutschland als Car-Sharing-Kunden registriert; die Nutzung des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) nimmt zu; Bike-Sharing wird in Deutschland inzwischen von acht großen, überregionalen Unternehmen und zahlreichen kleineren, lokalen Firmen angeboten. Ride-Sharing, also das Bündeln mehrerer Einzelfahrten mittels cleverer Apps, nimmt Fahrt auf.
Der knappe Überblick verdeutlicht, dass das Mobilitätsverhalten nicht nur vielfältiger wird, sondern das neue Mobilitätsformen zugleich ein gewaltiger Wachstumsmarkt sind. Pro Kopf gibt jeder Bundesbürger im Durchschnitt 2.600 Euro pro Jahr für Mobilitätsleistungen aus, ermittelte die Studie „Die Evolution der Mobilität“ des ADAC und des Zukunftsinstituts. Für Autohersteller, die sich bislang vor allem auf Entwicklung, Produktion und Verkauf von Pkw-Modellen konzentrierten, bedeutet der skizzierte Wandel Risiko und Chance zugleich. Denn einerseits dürfte die Nachfrage nach privat genutzten Autos künftig wohl zurückgehen, andererseits bieten die neuen Mobilitätsformen auch Gelegenheit für neue Geschäftsmodelle.
Daimler und BMW bilden größtes Car-Sharing-Unternehmen
Daimler und BMW etwa haben das schon vor Jahren erkannt, als beide Unternehmen je ein Car-Sharing-Angebot gründeten, "car2go" und "Drive now". Anfang dieses Jahres schlossen sich die ehemaligen Konkurrenten zusammen: Das größte Car-Sharing-Unternehmen der Welt heißt jetzt "Share now" – mit mehr als 4,4 Millionen Kunden sowie rund 20.000 Autos, darunter 3.200 Elektrofahrzeuge, in 30 Städten in insgesamt 13 Ländern. Rechnet man Buchungsplattformen wie "Moovel", "MyTaxi", "Clever Taxi" sowie Parkdienste ("Park now") und Ladedienste ("Charge now"), die ebenfalls zum neu gegründeten Unternehmen gehören hinzu, erreicht "Share now" sogar 40 Millionen Kunden weltweit. Damit ist klar: Daimler und BMW sind längst viel mehr als Autohersteller, sie sind Mobilitätsanbieter.
Und auch Europas größter Autokonzern Volkswagen hat diesen Weg eingeschlagen. So wird VW in Kürze in Berlin unter dem Markennamen "We share" ein Elektroauto-Char-Sharing mit zunächst 1.500 VW Golf E starten, weitere Städte – auch in Nordamerika – sollen folgen. In Hamburg wiederum ist VW seit April mit dem Ride-Sharing-Dienst "Moia" am Start: Elektrisch angetriebene, sechssitzige Shuttlebusse können per App gebucht werden. Ein schlauer Algorithmus sorgt dafür, dass Fahrgäste mit ähnlichen Zielen gemeinsam unterwegs sind, sich die Fahrt also teilen. "Moia" wirbt damit, komfortabler und individueller zu sein als der öffentliche Nahverkehr, zugleich aber auch billiger als ein normales Taxi. Man wolle, so teilt das Unternehmen mit, „bis 2025 einer der weltweit führenden Mobilitätsdienstleister werden.“
Mobilitätsgeschäft wird zur Überlebensfrage für Automobilhersteller
Für die etablierten Automobilhersteller könnte die strategische Neuausrichtung zur Überlebensfrage werden. Denn im Mobilitätsgeschäft tummeln sich längst ganz neue Unternehmen, etwa der chinesische Fahrdienstvermittler Didi Chuxing (7,5 Milliarden Fahrten im Jahr 2018) oder das US-Unternehmen Uber (4 Milliarden Fahrten 2018). Auch der Google-Mutterkonzern Alphabet mischt mit dem Fahrdienst Waymo in diesem Geschäft mit.
Und die nächste, vermutlich noch gravierendere Veränderung der Mobilitätswelt kündigt sich bereits an. „Sobald das autonome Fahren in einer gewissen Breite auf den Markt kommt", sagt Stefan Bratzel, Automobilfachmann und Professor an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, „wird das den Markt der Mobilitätsangebote durcheinanderwirbeln." Dann nämlich reichen ein paar Wischer auf dem Smartphone, und ein Auto steht vor der Tür: vollautomatisch und fahrerlos.